Fall:
Ihr Arbeitsverhältnis ist zum Arbeitgeber beendet. Der Arbeitgeber möchte nun von Ihnen alle geleisteten Weiterbildungskosten/Fortbildungskosten/Ausbildungskosten zurückerstattet?
Er beruft sich entweder auf eine von Ihnen bei Vertragsschluss unterzeichnete AGB
oder auf § 23 Berufsbildungsgesetz .
Lösung:
- § 23 BBIG wird nur dann in Frage kommen, wenn der Arbeitgeber einen "Schaden" nachweisen kann bzw. diesen innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Ausbilungsverhältnisses geltend macht.
- Weiteres Problem hier ob, die freiwillige Leistung des Arbeitgebers (Weiterbildungskosten/Fortbildungskosten etc.) als "Schaden" gewertet werden darf.
- Fraustregel: Sog. "Fehlgeschlagene Aufwendungen" des Arbeitgebers sind dann zu ersetzen, wenn der Arbeitnehmer die Auflösung der Ausbildungsverhältnisses zu vertreten hat.
Da der Arbeitgeber bei § 23 BBIG vor schweren Hürden steht, beruft er sich öfters in der Praxis auf die AGB.
Vereinfacht gesagt spielt hier die Musik in Ihrem Fall!
Die Frage ist, ob diese AGB-Klausel Sie unangemessen benachteiligt(§ 307 BGB).
Merken Sie sich einfach:
Grundsatz:
Je abstrakter und unbestimmter eine Regelung über die Rückzahlung und ihre Höhe ist, desto besser stehen Ihre Chancen nicht zahlen zu müssen.
Müssen Sie auch im Falle der grundlosen Beendigung durch den Arbeitgeber zahlen, stehen Ihre Chancen sehr gut.
Ausnahme:
Sie haben die Vertragsauflösung zu verschulden (insb. Verhaltensbedingte Kündigung; Eigenkündigung ohne Grund und geldwerter Vorteil der Weiterbildung)! In diesem Fall wird der Arbeitgeber wahrscheinlich eine Klausel bestimmt genug formuliert in die AGB aufgenommen haben.
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern, 08.05.2018 - 2 Sa 215/17 hat vor kurzem darüber entschieden, ob der Arbeitnehmer sich alles gefallen lassen muss, nur weil er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor der Rückzahlungsproblematik steht. (siehe unten)
Der Arbeitgeber darf nicht einfach jede Forbildung am Ende dem Arbeitnehmer auferlegen. Es muss tatsächlich Personalbedarf (in Zukunft) für eine Stelle bestehen, die genau diese Qualifikationen des Fortzubildenden deckt. Dh. bildet der Arbeitgeber fort und kann am Ende der Ausbildung den Qualifikationen des Auszubildenden entsprechende Stelle nicht anbieten, so ist es dem Auszubildenden nicht zuzumuten zu bleiben. Er sollte dann auch nicht die Fortbildungskosten zurückzahlen.
Im Folgenden zitiere ich einige aktuellere Entscheidungen zu der Frage von Rückzahlung von solchen Kosten:
· BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.11.2008, 3 AZR 192/07
o "Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber übernommenen Kosten einer Weiterbildung zurückzahlen muss, wenn er auf eigenen Wunsch vor Abschluss der Weiterbildung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB regelmäßig stand, sofern die erfolgreiche Weiterbildung für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist. Dies gilt auch dann, wenn die Weiterbildung nicht kontinuierlich, sondern in mehreren zeitlich voneinander getrennten Ausbildungsabschnitten erfolgt, sofern die zeitliche Lage der einzelnen Ausbildungsabschnitte den Vorgaben der Weiterbildungseinrichtung entspricht und die vertragliche Vereinbarung dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eröffnet, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den jeweiligen Ausbildungsabschnitten festzulegen."
· BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 6.8.2013, 9 AZR 442/12
o „Der Beklagte wird durch die Regelung in Nr. 2 der Nebenabrede unangemessen benachteiligt. Die Klausel ist nicht hinreichend klar und verständlich. Die Regelung lässt nicht erkennen, welche finanziellen Belastungen - ggf. in welcher Größenordnung - auf den Beklagten zukommen.“
(Zur Bestimmtheit von Klauseln siehe auch Landesarbeitsgericht Köln Urt. v. 07.03.2014, Az.: 10 Sa 395/13
· LAG Mecklenburg-Vorpommern, 08.05.2018 - 2 Sa 215/17
o "Dem Arbeitnehmer ist eine von der Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten ausgehende Bindung an den Arbeitgeber nur zumutbar, wenn er mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten hat (Anschluss an BAG, 15.05.1985, 5 AZR 161/84).
o Eine Fortbildung erfolgt nur dann im Rahmen des Personalbedarfs, wenn beim Arbeitgeber innerhalb des Bindungszeitraums wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, für die eine durch die Weiterbildung erworbene Qualifikation Voraussetzung ist (Anschluss an BAG, 06.11.1996, 5 AZR 498/95). Je eher der Arbeitnehmer durch die Ausbildung beim Arbeitgeber entsprechend seiner Weiterbildung beruflich aufsteigen kann, desto eher ist ihm eine Bindung an den Arbeitgeber zuzumuten.
o Erfolgt nach Ausbildungsabschluss weder die tatsächliche Zuweisung einer ausbildungsadäquaten, gegenüber der Ausgangslage qualifizierteren Tätigkeit, noch eine entsprechende Höhergruppierung, widerlegt dies einen Personalbedarf des Arbeitgebers."
Ich biete Ihnen an, in einem solchen Fall Ihre AGB zu kontrollieren und eine Einschätzung vorzunehmen.
Dr. Ramazan Efe
Rechtsanwalt
Kommentar schreiben