Ein Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13.04.2018 (Az. 7 U 36/17 OLG Hamm), in dem zwei Verkehrsregeln (§ 2 Abs. 3 StVO; § 9 Abs. 3 S. 1 StVO) betroffen sind, die wahrscheinlich wenige Verkehrsteilnehmer beachten.
Fall (stark verkürzt):
„Der Kläger beabsichtigte mittels eines sog. U-Turns zu wenden. Hierzu musste er einer Linksabbiegerspur folgend die für beide Fahrtrichtungen in der Straßenmitte befindlichen Straßenbahngleise überfahren. Der Kläger fuhr bei Grünlicht !! der für ihn geltenden Ampelanlage in den Gleisbereich ein. Als er sich mit seinem Fahrzeug auf den Gleisen befand, erfasste die aus gleicher Richtung kommende Straßenbahn der beklagten Verkehrsbetriebe den BMW.“ Auch die Ampel der Straßenbahn zeigte Grünlicht!!“
Begründung der Pressemitteilung (leicht vereinfacht):
"Für die Unfallfolgen sei der Kläger zu 100 % selbst verantwortlich. Ein Verschulden der Verkehrsbetriebe oder des Straßenbahnfahrers liege nicht vor.
Auf eine Änderung der Ampelphasenschaltung hätten die Verkehrsbetriebe nicht hinwirken müssen.
Die zum Zeitpunkt des Unfalls vorhandene Ampelphasenschaltung - mit Grünlicht für Kraftfahrzeuge und ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn – sei rechtlich zulässig.
Bei einer derartigen Ampelphasenschaltung greife die in der Straßenverkehrsordnung gesetzlich geregelte Vorrangregelung (§ 2 Abs. 3 StVO; § 9 Abs. 3 S. 1 StVO) zu Gunsten der Schienenbahn, die auch gegenüber einem bei Grünlicht abbiegenden Linksabbieger gelte.
Zwar sei es zwecks Vermeidung von Unfällen sicherer, wenn - wie nach der Änderung der Schaltung an der Unfallstelle im Sommer 2016 - durch eine Ampelschaltung ein gleichzeitiges Befahren des Bahnübergangs durch Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen sei. Auf eine solche Lösung habe aber kein Verkehrsteilnehmer Anspruch."
Eigene Stellungnahme:
Meines Erachtens ist diese Entscheidung, abgesehen von einer Ausnahme, zu begrüßen.
Der genannte Sachverhalt zeigt auf, dass ein KfZ-Führer dem Schienenverkehr stets den Vorrang einräumen muss. Denn die Ausweichmöglichkeit des Schienenfahrzeugs ist, im Gegensatz zum KfZ, überhaupt nicht vorhanden. Der Bahnführer kann lediglich bremsen oder beschleunigen. Hierfür muss ihm aber eine gewisse Reaktionszeit zur Verfügung stehen.
Nur für den Fall, dass das KfZ bereits quer zur Schienenbahn einige Zeit stand, sollte die Haftungsquote nicht allein dem KfZ-Führer auferlegt werden.
Denn in diesem Fall besteht grundsätzlich für Bahnführer eine gewisse Reaktionszeit (Einzelfallabhängig)
Hierzu eine Entscheidung, aus der meiner Ansicht nach zu entnehmen ist, dass in solchen Fällen von einem Bahnführer deutlich mehr abverlangt werden darf:
„Als Linksabbieger sind andere Fahrzeugführer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 gehalten, sich nur dann auf den Schienen einzuordnen, wenn sie kein Schienenfahrzeug behindern. Diese Verpflichtung setzt die Einschätzung und Bewertung voraus, dass bei Berücksichtigung der Verkehrslage eine Straßenbahn auch nicht alsbald herankommen kann (Kammergericht VRS 106, 356 ff.)“.
(aus Bachmeier / Müller / Rebler: Verkehrsrecht Kommentar, 3. Auflage 2017, zu § 9, Rn. 18)
Tipp:
Lesen Sie sich die im Text aufgezeigten Normen bitte einmal durch!
Man sollte nicht immer auf die „Grüne Ampel“ im Straßenverkehr und den eigenen Vorrang vertrauen.
Insbesondere in Städten, in denen die Straßenbahnen mit den KfZen dieselbe Straße „teilen“, sind eine besondere Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmer und auch der „Vorrang des Schienenverkehrs“ zu berücksichtigen.
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